Der Automat 2014
Objekt, ca. 200 x 280 x 60 cm (Höhe, Breite, Tiefe)
Holz, Pappe, Digitaldrucke, Beleuchtung
Inmitten des White Cube hängt ein Automat. Einer, wie er an jeder Ecke hängt, im Ruhrpott, man kennt das, rot-weiss meistens, und niemand traut dem Inhalt, Kaugummi und andere Alltagsverkleber, wie lange die schon da drin sein mögen. Manchmal bleibt der Blick in der Stadt kurz an ihnen hängen, an den Kindererinnerungen, die daran haften. Drei Fensterchen mit freier Sicht auf den Vorgeschmack - auf den großen Moment des Auspackens, weniger des Verspeisens; des Überredens der Eltern eher als des Besitzens, das Klimpern der Münze, das Drehen des Riegels bevor die Ware ausgegeben wird - der Vorgang der Wunscherfüllung - evoziert durch Münzeinwurf.
Der Automat von Silvia Liebig ist so groß, dass wir davor mindestens so klein sind wie bei den kindlichen Erlebnissen mit Warenautomaten an Straßenecken - der stille stationäre Dienstleister vermag in seiner steten 24/7-Bereitschaft den Wunsch der Konsumwilligen gleichzeitig zu produzieren und zu befriedigen.
Nun begegnet uns in den drei Guckfenstern des Automaten von Silvia Liebig aber keine bunt verpackte Ware sondern drei zunehmend leere Räume. Fein gezeichnete Bäume und shocking grüner Kunstrasen; ein gefliester Innenraum, der ästhetisch das Wirtschaftswunder-Nachkriegs-Deutschland heranzitiert und ein Innenraum mit weisser Tür und Jagdszenen-Tapete ausgestattet, bei dem sofort holzvertäfelte Decke aufkommt, wäre die Türklinke nicht so seltsam modernisiert.
Das sind die Versprechen des Automaten. Was man sich ziehen könnte, ist nicht nur ungewiss sondern auch gar nicht nachhaltig wünschenswert.
Auch das Äußere des Automaten ist behaftet. Auf seinem Gehäuse schrabbeln sich alle möglichen Überbleibsel von politischen Utopien in Form von Aufklebern ab. Da blättert sich die Antifa runter, während ein nächster Sticker mit der Aufschrift „Erinnern heisst Kämpfen“ auf dem Bild einer bedeckten Litfasssäule die anderen Sticker metamäßig einholt, nochmal auf utopisches Potential von diesmal links-politischen statt privativen Wünschen hofft, die
hier als rückwärtsgewandte daherkommen.
Was man nicht los wird, egal ob verkitscht, normativ, geprimed, kulturell produziert, unerfüllbar, ist in sowohl privater, politischer als auch religiöser Sphäre die Dimension des Wunsches selbst - vermag dieser doch wie ein Vektor die Lebensführung auszurichten und zu motivieren.
Vielleicht ist es dabei wie beim Vorgang des kindlichen Bedienens des Warenautomaten - weniger geht es konkret um die erhaltene Ware, um Ergebnisorientiertheit, als um den Vorgang, zu bemerken, auf etwas gerichtet zu sein, das unser Begehren erfüllen könnte.
Um einen so großen Automaten kommt niemand herum. (Y.Thoennes, Textauszug)
2010, ArToll Kunstlabor, Bedburg Hau